Interviews Blind-river-surfer-Ben-Germany-Eisbach

Published on October 23rd, 2020 | by Simon

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Inspirational Story of Blind River Surfer Ben

Despite being blind, 15 year old Ben is surfing one river wave after the other. After his first sessions at the Citywave he is now mastering the Eisbach Wave, The Riverwave in Ebensee and other major river waves around Europe. Ben is constantly trying to push himself. Just recently, he pulled a 720 – a trick that is even difficult to master for most seeing surfers. In this exclusive interview with Riverbreak, Ben shares his inspirational river surf biography.

Note: The following article is in German, but you can use the button at the right for auto translating the content into English or French.


Hi Ben, magst du dich unseren Lesern kurz vorstellen?

Ich bin der Ben Neumann. Mitte Mai hatte ich meinen 15. Geburtstag. Geboren bin ich zwar in Neumarkt i.d.O. aber eigentlich bin ich Garmischer und lebe dort seitdem ich in die Schule gekommen bin. Gegen Ende der ersten Klasse bin ich routinemäßig zu einem Sehtest und der Arzt hat festgestellt, dass ich nur noch ca. 35 % Sehkraft habe. Nach monatelangen Untersuchungen in verschiedenen Augenkliniken kam man zu dem Entschluss, dass man leider nichts für mich tun könne und ich den Rest meiner Sehfähigkeit auch noch verlieren werde. Das ging dann alles viel schneller als erwartet und somit bin ich dann in der 2. Klasse in eine Inklusionsschule nach Oberau gewechselt. Ab der 3. Klasse hatte ich zusätzlich eine Schulbegleiterin. Nachdem Inklusion in vieler Hinsicht noch ein Papiertiger ist in Deutschland werde ich seit Dezember 2018 über die Web Individualschule Bochum zu Hause unterrichtet. Das funktioniert super und ist perfekt auf mich abgestimmt.

Natürlich bin ich in vielen Dingen eingeschränkt, aber wo ein Wille da ein Weg. In meiner Freizeit spiele ich gerne Schlagzeug (suche übrigens immer noch Gitarristen für Jam Sessions), bin oft mit meinem Begleithund Quest unterwegs und mache viel Sport. Im Winter gehe ich wann immer möglich Skifahren. Das funktioniert mit Funk. Wenn auf den Pisten zu viel los ist gehen wir mit den Tourenski. Im Sommer bin ich eine Wasserratte, fahre Wakeboard und seit 2 Jahren kam dann natürlich noch das Surfen dazu. Mein Skateboard findet seit ich einen Surfskate habe nicht mehr ganz so viel Beachtung.

Wie bist du zum Flusssurfen gekommen?

Zu meinem 13. Geburtstag habe ich in der Jochen Schweizer Arena einen Surfkurs und ein paar Flugminuten geschenkt bekommen. Beides klappte auf Anhieb recht gut. Am Ende des Tages durfte ich auswählen, welche Aktivität ich in Zukunft gern öfter machen würde. Als Wassersportler viel die Wahl nicht schwer. Seither versuche ich einmal pro Woche in der Arena zu surfen und da ich schnell Fortschritte gemacht habe, konnte ich im August 2013 bereits ein Buster 5/0er Surfboard mein Eigen nennen. Als dann die Skisaison am 30. April 2019 auf der Zugspitze zu Ende war bin ich am 1. Mai zur Saisoneröffnung an die Floßlände. Das war mir irgendwie zu wenig Wasserdruck und ich hab keinen einzigen Turn geschafft. Nachdem mein Vater mich nicht vollständig entmutigt nach hause bringen wollte, sind wir direkt zur Eisbach Welle E1 gefahren. Weil ja erstmal immer keiner direkt sieht, dass ich blind bin, wollte mich da auch gleich jemand vertreiben. Da mein Papa aber hartnäckig war, hab ich tatsächlich noch am 1. Mai ein/zwei Turns auf der E1 hinbekommen und auch gleich ein paar Freunde gewonnen.

Kannst du mir dein aktuelles Sehvermögen beschreiben? Was siehst du am Eisbach? 

Blind ist man offiziell wenn man kleiner 2% Restvisus hat und zusätzlich ein sehr eingeschränktes Sehfeld (ist bei mir seit ich 8 oder 9 war der Fall). Am besten kann ich noch starke Kontraste wahrnehmen. Wie weit, hängt stark von der Umgebung und der Helligkeit ab. Wenn es gegen Abend dämmert wird es bei mir komplett schwarz. Auch im Winter wenn alles weiß ist und blendet, kann ich überhaupt keine Struktur mehr erkennen. Den Umriss eines Menschen sehe ich auf eine Entfernung von circa einem Meter bei entsprechender Beleuchtung. Außerdem habe ich nur noch ein ziemlich kleines Sichtfeld auf meinem linken Auge außen. Deshalb halte ich immer den Kopf seitlich und mein Gegenüber wundert sich warum ich ihn nicht direkt anschaue. Auf meinem rechten Auge sehe ich so gut wie gar nichts mehr, deshalb blendet mein Gehirn das rechte Auge aus.

Am Eisbach ist das Surfern für mich schon deutlich schwieriger als auf der gleichmäßigen Arena-Welle. Ich sehe zwar in etwa das Wasser unter mir, kann  aber nicht erkennen, wie hoch ich auf der Welle bin. Das zu Fühlen ist aufgrund der Unregelmäßigkeit der Welle auch recht tricky. Oft merke ich erst wie hoch ich auf der Welle bin wenn es schon zu spät ist und es mich oben darüber schwappt oder ich unten mit der Spitze abtauche. Den Rand kann ich ab einer Entfernung von circa anderthalb Metern als dunklen Streifen erkennen, allerdings orientiere ich mich am Eisbach eher an den „Hügeln“. Manchmal ist es sogar so, dass das was ich noch sehe, mich beim Surfen eher irritiert und meine besten Runs bisher im Dunkeln hatte.

Dein Dad begleitet dich immer zum Eisbach. Wie sieht seine Unterstützung am Einstieg der Welle  für dich konkret aus?

Mein Papa stellt mich einfach immer nur auf die exakt richtige Stelle. Den Rest kriege ich dann ganz gut allein hin. Viel wichtiger ist aber, dass er sagt, wann ich losfahren kann, da ich ja nicht weiß, wann frei ist bzw. ob vielleicht doch noch einer von der Gegenseite startet. Wir haben auch überlegt, ob das vielleicht auch über Funk – wie beim Skifahren – funktionieren könnte. Dort hat mein Papa ein Headset auf und ich einen Kopfhörer im Ohr. Ich fahre voraus und mein Papa sagt mir die Schwünge an. Das geht beim Surfen wegen dem Wasser mit der Technik natürlich nicht so einfach und wäre sicher sehr kostspielig. Somit halten die meisten Zuschauer am Eisbach meinen Dad halt für einen völlig übereifrigen Vater/Trainer.

Ich hab jetzt ein Video von dir gesehen, wo du per Sprungstart beginnst. Wie viel Versuche hast du gebraucht? Was ist dein Trick um die Welle und dein Brett zu treffen?

Hier ist es natürlich noch wichtiger dass mich jemand (in der Arena ist es meistens meine Mama) an die exakt richtige Stelle stellt. Dann habe ich mich immer zuerst einmal runter gebeugt und das Brett leicht in die Welle gehalten, um zu fühlen, auf welcher Höhe sie gerade ist. Dann habe ich das Brett in die Welle geklappt und versucht an genau der selben Stelle hinterher zu springen. Das hat in der Jochen Schweizer Arena mit einem Softboard etwa beim vierten Versuch auch schon geklappt. Inzwischen geht es hin und wieder auch schon mit meinem 5/2er Indiana Board.

Deutschland und die Stadt München hat sich Inklusion auf die Fahne geschrieben. Was hieße dies konkret, was sie für andere blinde Flusssurfer machen müssten?

Ich glaube das einzige was München tun könnte, wäre Projekte mit kontrollierbaren Wellen wie bei The Riverwave in Ebensee zu fördern. Ich hoffe ja immer noch sehr stark, dass das mit der Surfwelle Wolfratshausen endlich klappt. Seheingeschränkte und Blinde tun sich halt auf gleichmäßigen Wellen deutlich einfacher. Am Ende muss man sich einfach trauen und am Ball bleiben.

Lass uns mal die anderen Münchner Flusswellen durchgehen ob du eine Chance hast dort zu surfen. Wie schaut es mit der E2, der zweiten Welle am Eisbach aus? Wie wäre dort der Ein- und Ausstieg für dich machbar?

Zur E2 kann ich eigentlich nicht viel sagen. Mein Vater hat mir das Terrain beschrieben und ich denke der Einstieg ist für mich einfach mega ungünstig. Wenn, dann klappt das entweder wenn ich den Sprungstart sicherer beherrsche, oder wenn ich zunächst liegend aufs Brett springe und dann einen Take Off versuche.

Wie schaut es mit der Floßlände-Welle aus? Dort ist der Einstieg höher als am Eisbach. Wie wäre dies für dich machbar?

Mein Debüt auf der Floßlände war ja wie gesagt eher ein Reinfall. Der Start ist allerdings kein Problem. Vermutlich würde es mit dem richtigen Brett schon irgendwann klappen. Da ist allerdings immer noch mehr Andrang als am Eisbach.

Die Eisbachwelle (E1) ist Münchens gefährlichste Welle, aber auch die einzige in die du gut hineinkommst. Eigentlich paradox, oder?

Das stimmt schon, der Einstieg ist prima. Natürlich ist auch die Verletzungsgefahr nicht zu unterschätzen. Darum habe ich mich auch freiwillig für Helm und Neoprenanzug samt Füsslingen entschieden. Bisher habe ich die Steinquader nur leicht zu spüren bekommen und meine Booties schützen mich vor Glasscherben rund um den Bach.

Möchtest du eines Tages Hochwasser-Wellen surfen? Wie könnte dies ermöglicht werden? Was sind deine Vorstellungen?

Am ehesten geht das glaube ich mit Seilzug. Da Hochwasser-Wellen aber schwer kalkulierbar sind und ich sie ja gar nicht einschätzen kann, müsste ich da einen erfahrenen Surfer dabei haben. Andererseits muss man ja das Schicksal auch nicht unnötig herausfordern. Auf meiner To-Do-Liste steht eher für dieses Jahr das Wake-Surfen hinterm Boot und vor allem wenn möglich mit einem Foilboard.

Du warst letztes Jahr zum ersten Mal am Meer surfen? Wie hat das geklappt?

Das hat eigentlich auch gleich recht gut geklappt. Ich bin allerdings immer nur die Welle in Strandnähe gesurft, weil ziemlich viel los war und ich ja auch niemand über den Haufen fahren möchte. Eigentlich war für dieses Jahr wieder der kanadische Atlantik geplant, aber momentan gilt ja noch Reise-Stopp und Corona-Quarantäne.

Welche Flusswellen möchtest du in der Zukunft noch gerne surfen?

In kürze steht The Riverwave in Ebensee auf dem Programm und eigentlich möchte ich auch gern mal die Anlage in Langenfeld testen. Ein Traum wäre es natürlich mal in der Anlage von Kelly Slater einen Versuch zu wagen. Das hat glaube ich sogar schon jemand mit schwacher Sehkraft gemacht.

Welche Tricks würdest du gerne lernen?

Der 360 geht in der Arena zunehmend besser und ich hoffe, den Sprungstart kriege ich irgendwann auch so hin, dass es cool und lässig ausschaut.

Wie fühlt es sich an, unten im Eisbach-Becken zu stehen? Welche Vibes spürst du?

Das Spiel mit den Elementen, allen voran die Kraft des Wassers haben einfach etwas Magisches. Wie schon erwähnt, ist das für mich nachts wenn gar kein visueller Input mehr da ist, noch beeindruckender. Da höre ich nur das Tosen des Wassers und bin völlig allein mit der Welle.

Magst du es von anderen Surfern gelobt zu werden, wenn du mit deinem Run nicht zufrieden warst?

Ernst gemeintes Lob freut mich immer sehr. Andererseits glaube ich kämpft jeder ehrgeizige Mensch mit dem eigenen Unvermögen, da hilft dann auch kein Lob. Umso mehr freut man sich über anerkennendes „Klopfen“ wenn der Run gut war.

Du hast auf Citywaves das Surfen gelernt. Diese Wellen sind wegen ihres hohen Stromverbrauchs umstritten. Was ist deine Meinung dazu?

Natürlich wäre es prima, wenn es zukünftig mehr kontrollierte Flusswellen mit natürlicher Wasserkraft gäbe. Für Ballungsräume sind Citywaves schon in Ordnung. Wenn der Strommix irgendwann mehr aus erneuerbaren Energien besteht, ist das allemal besser, als wenn alle auf der Suche nach der perfekten Welle weit mit dem Flieger um die Welt jetten.

“No Limits” steckt in deinem Instagram-Namen (Ben Neumann, @ben.no_limits). Welche Limits wirst du als Riversurfer noch überwinden?

Ich bin froh, dass meine Eltern mich Grenzen austesten und zur Not auch mal überschreiten lassen. Die Tatsache, dass ich mir die E1 zugetraut habe, hilft mir auch alltägliche Hürden besser zu überwinden.

Ben in 10 Jahren – Wie wirst du dich als Riversurfer entwickelt haben?

Mein Werdegang hat mich ja in allerlei Hinsicht eingebremst. Somit mache ich keine langfristigen Planungen, sondern das Beste aus jedem Tag. Mal schauen was der 3,650. Tag so für mich „in petto“ hat.

Irgendwas, was du noch sagen willst?

Hang Loose!

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Simon

Simon is the "Youngest Veteran". He has been chasing river waves since almost 20 years, starting on a wave in the south of Munich, one of the birth places of our sport. Simon loves high water surfing and river surf comps and dreams about barrelling river waves, since he was lucky enough to surf one during his many trips.



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