Published on August 11th, 2020 | by Simon
Photo by Matthias Steinecke @stonefishpictures | 0Rope Surfing: Little Effort, Tons of Fun!
Here’s the solution if you don’t have a working river wave but want to shred the river nevertheless: Jan came up with a smart combination of a rope, a kite-bar and a harness, letting him surf even the smallest of waves! Here is how it works!
Kannst du kurz ein paar Wörter über dich sagen und wie du zum Flusssurfen / Seilsurfen gekommen bist?
Moin, ich bin Jan oder Johannes Wissing (@wateradventuretime) und ich komme aus Bremen. 1994 hatte ich das Glück einen Schüleraustausch nach Bude/Cornwall mitmachen zu dürfen. Mein Host Mark war Bodyboarder, doch bei Zuma Jay und auf dem Wasser war die Hierarchie klar. Ab da wollte ich Surfen – geskatet habe ich da schon einige Jahre.
Ein erzwungener Familienurlaub mit Zwischenstopp bei den Ex-Schwiegereltern in Dachau hat mich auf die Idee gebracht, mal das Surfbrett zwischen die Snowboards zu quetschen – danach fuhr ich dann plötzlich deutlich lieber nach München. Im Frühjahr 2015 an einem Dienstagmorgen als Flusssurf-Rookie im 5.5er mit Hoodie bei Regen am Rand zu stehen und nicht zu wissen, was mich erwartet, war echt schön. Da war der Vibe echt angenehm und ich hab mich auch als “Nordlicht” willkommen gefühlt!
Seit vier Jahren surfe ich den Spot jetzt und habe ungefähr fünfzehn Menschen auf meine Bretter gestellt.
Meine Seilsurfwelle hab ich recht schnell nach dem Schlüsselmoment auf dem Eisbach entdeckt. Nachdem ich dann in meinem Freundeskreis von der Eisbachwelle erzählt habe und mich mit Udo, dem einzigen Wildwasserkanut der mir hier im Norden bekannt ist, unterhalten habe, war meine Hoffnung was Ähnliches zu finden erstmal im Keller. Verrückterweise hat er einige Tage später einen neuen Spot angesteuert und mich unmittelbar danach angerufen. Tags darauf saßen wir mit Kanu auf dem Dach, Surfbrett, Neo und Seil im Auto. Gamechanger war dann, einige Sessions mit ausgeleierten Armen und einige Stunden Machbarkeitsdiskussionen und Skizzenzeichnungen später, die Umsetzung einer der vielen Ideen von Phillipp. Er hatte einfach mal mit viel Liebe und einigen teuren Anbauteilen aus dem Bootsbedarf eine Kitebar inklusive “chicken loop” und “chicken dick” in eine Seiltaugliche Konstruktion umgebaut – seit dem macht alles erst Sinn und richtig Spaß!
Photo: Matthias Steinecke @stonefishpictures
Seit vier Jahren surfe ich den Spot jetzt und habe ungefähr fünfzehn Menschen auf meine Bretter gestellt. Meistens surfe ich Solo oder mit Klaas, einem Local aus dem nächsten Dorf.
Findest du eine sprachliche Unterscheidung in Flusssurfen und Seilsurfen sinnvoll?
Auf jeden Fall! Seilsurfen, also Ropesurfing ist meiner Meinung nach ein Sub-Genre des Flusssurfens und eher eine Variante des Rapidsurfing. Um vielleicht jedem nochmals den Unterschied klar zu machen: Ich hänge an einem Harness, eingehakt an einer modifizierten Kitebar und an einem Seil, das an einer Brücke montiert ist. Durch das Seil kann ich nicht nur die eigentliche Welle surfen, ich hole meinen Schwung in der Anströmung zur Welle und kann durch Kantendruck entgegen dem Gefälle der Stromschnelle etwas stromaufwärts fahren. Dies nutze ich dann zum Beschleunigen um die Manöver mit Speed in die Welle zu setzen.
Das spezielle Setup erlaubt mir Tricks zu machen, die im Riversurfen fast nicht möglich sind.
Durch die Harness und das Seil sind meine Bewegungen zwar etwas eingeschränkt, dafür kann ich aber Bewegungen und Tricks machen, die im Riversurfen fast nicht möglich sind, wie Manuals und Backrolls zum Beispiel. Die Dynamik und Bewegungsvielfalt sind die Gleiche. Davon abgesehen, ist meine Welle so klein, dass sie ohne Seil einfach nicht trägt – somit musste ich aus der Not eine Tugend machen und alles tun, um überhaupt Spaß aus dem Teil zu kitzeln.
Du hast als Namen für das was du machst “Roperapidsurfing” vorgeschlagen. Ernsthaft?
Schon ernsthaft, auch wenn ich vielleicht schon leicht einen im Kahn hatte als ich dir geantwortet habe ;-) Hauptsache ist bei einer Nischensportart, dass die Nomenklatur von Anfang an klar ist. Sonst kann einen keiner finden, und man existiert einfach nicht. Seilsurfen klingt erstmal etwas lahm und man assoziiert schnell auch Sport hinter einem Boot, in einer Anlage oder einem Sprungseil. Trotzdem ist es wohl der kürzeste und greifbarste Begriff. Besetzt ist er im Deutschen und Englischen auch noch nicht – also why not? Ropesurfing shall it be. Ob Seilflusssurfen, Seilstromschnellensurfen, Seilschnellensurfen, Roperapidsurfing oder Rapidropesurfing da irgendwas eindeutiger machen würde sei einfach mal dahingestellt – das oben genannte Problem löse ich mit diesen Wörtern auch nicht! Ropesurfing lässt sich schon verkaufen, passt schon! Ab heute tagge ich meine Clips und Fotos mit #ropesurfing.
Was taugt die mehr? Flusssurfen auf Flusswellen oder am Seil?
Keine einfache Frage!
Wenn ich könnte würde ich gerne ohne – ohne ist aber nicht möglich! Einfach gesagt ist die entstehende Welle schlicht zu klein. Der Versatz vom oberen zum unteren Flussteil sind im Winter teilweise nur 15cm wenn die Welle surfbar wird. Darum surfe ich die davor liegende Stromschnelle und nutze die Welle je nach Wasserstand meist nur als Kicker. Ich könnte mir durchaus vorstellen, die Konstruktion auch vor die Eisbachwelle zu hängen – Seil und Strömung treiben dich nach oben, Safety-System vom Kiten funktioniert auch noch bei Problemen. Der Druck vom Eisbach kombiniert mit den Beschleunigungs– und Bewegungsmöglichkeiten des Ropesurfing – da könnten plötzlich Dinge möglich sein, die Vorstellungen sprengen – passt bloß auf mit dem Kram ;-)
Was ich jetzt lieber mag ist eine wirklich schwierige Frage. Anders als man denkt, bietet das Seil auch ungeahnte Spielmöglichkeiten. Ich kann halt in super extremen Winkeln ankanten, beschleunigen und fast horizontal über dem Wasser Speed generieren.
Vieles ist noch nie gemacht worden, inspirieren lasse ich mich hauptsächlich vom Surfen, Skateboardfahren, Kiten, Wakeboarden und Wakeskaten.
Meine Cutbacks sind dann gelungen, wenn mein Schulterblatt das Wasser touchiert. Ich kriege die komischsten Bewegungen noch gerettet und kann weiterfahren. Einiges ist auch in der Strömung möglich und erinnert eher an Tricks aus dem Freestyleskaten oder Flatland BMX.
Vieles ist noch nie gemacht worden, inspirieren lasse ich mich hauptsächlich vom Surfen, Skateboardfahren, Kiten, Wakeboarden und Wakeskaten. Ich denke, es gibt noch endloses Trickpotential, Gou Miyagi ist mein Meister – alle Puristensurfer dürfen mich gerne auslachen!
Die Frage erinnert ein wenig an die Frage was interessanter ist: Kiteboarden oder Wellenreiten!? Kiteboarden ist vergleichbar mit Ropesurfing. An deutschen Küsten ist das Kiteboarden deutlich einfacher realisierbar als das Wellenreiten – ähnlich ist es mit dem Ropesurfing eigentlich auch: einfache Stromschnellen mit flachem Untergrund gibt es öfter als ausgewachsene Flusswellen. Dort dann etwas zur Befestigung zu finden oder zu bauen ist sicher leichter umzusetzen als ein Flussbett hydrodynamisch zu optimieren und einen echt surfbaren Spot zu bauen. Dort dann etwas zur Befestigung zu finden oder zu bauen ist sicher leichter umzusetzen als ein Flussbett hydrodynamisch zu optimieren und einen echt surfable Spot zu bauen. Beim Wellenreiten sind die Bewegungen frei und uneingeschränkt, Tricks sehen ästhetischer aus und sind deutlich komplexer in der Umsetzung. Beim Ropesurfing ist es wie mit dem Kiten: Tricks sehen in der Regel furchtbar unstylisch aus und sind im Vergleich supersimpel umzusetzen, Lernprozesse können schnell gefestigt werden, weil man kurz danach wieder in die exakt selbe Situation kommt und nur Kleinigkeiten verändert werden müssen, bis der Trick schließlich klappt. Beim Wellenreiten und Flusssurfen muss man paddeln und/oder warten – nach einer halbe Stunde hat man dann erst wieder das Vergnügen den Trick zu wiederholen. Beim Kiten und Ropesurfen ist das eine Sache von Sekunden.
Kein Style, kein Arbeitsaufwand, aber Tonnen an Spaß!
Vielleicht muss man das Ganze auch einfach nicht vergleichen. Wer jemals zwei Kilometer Offshore ne dicke ungebrochene Welle gekitet hat, weiß genau, dass man als Wellenreiter so etwas kaum machen kann. Es steckt weniger Action drinnen, ist aber trotzdem sehr schön und man möchte den Moment niemals missen – mit dem “echten” Wellenreiten kann es nur zum Teil verglichen werden. Kein Style, kein Arbeitsaufwand, aber Tonnen an Spaß!
Ich mache, wenn mir langweilig ist, einfach 50 Cutbacks switch.
Meine letzte gewagte These wäre: Alle Spots die bis jetzt ganz selten mal mit einer selbstgebastelten Seil-Handlebar-Lösung für ein paar Minuten gefahren wurden können jetzt so richtig zerlegt werden. Erste Schritte zum Surfen werden demnächst fast nur an Ropesurfschulen unterrichtet – Flusswellen und Wellenreiten machen eigentlich erst Sinn, wenn man einen Ropesurfingkurs erfolgreich absolviert hat. Das Trickrepertoire lässt sich super leicht erweitern und verfeinern, da man einfach wirklich viel echte Surfzeit auf dem Brett hat. Ich fahre, wenn mir langweilig ist, einfach 50 Cutbacks switch (also auf meinem schwachen Fuß). Wenn die Leute erstmal merken, dass sie mehr oder weniger im Flat Backrolls springen können und ihre Brettskills sich vervielfachen, dann wird Ropesurfen zum Kitesurfen der Flüsse. Vermutlich werden Ropesurfer und Riversurfer nur selten die selben Spots fahren, die Riversurftricks bleiben viel schwerer, brauchen viel mehr Lernzeit und sind viel ästhetischer. Dafür machen Ropesurfer aufgrund der Einfachheit den kranken, hohen und never-seen-before Scheiß. Keine Ahnung was möglich wäre an einer richtigen Welle mit Seil – wir werden es sehen, vermute ich mal. Happy to be your medium!
Was benutzt du eigentlich? Ein klassisches Seil oder ein Bungeeseil?
Ich habe schon vieles ausprobiert, auch Bungee-Elemente und Umlenkrollen. Mittlerweile habe ich schon alle Varianten, die mir vielversprechend erschienen, ausprobiert und teilweise richtig Aufwand in gewisse Lösungen gesteckt. Weil ich für Tricks aber einen definierten Druckpunkt brauche wo sich der Zug aufbaut, bin ich seit zwei Jahren fast immer ohne Flex unterwegs. Bei manchen Tricks unterstützt der Bounce-Effekt zwar, z.B. Handle-pass beim 360 oder beim Shredden in die Ecken der Welle, mir ist die Präzision aber wichtiger. Jedes bewegliche Teil hatte bisher mehr Nachteile als Vorteile, so bin ich wieder beim simplen Seil mit Bar an Brücke und Harness gelandet. Mein Setup momentan:
- Lastenbänder von der Baustelle zum Durchschlaufen an der Brücke.
- Längenverstellbares Seil um je nach Wasserstand an die Punkte der Welle fahren zu können wo ich hin will.
- Seitlich flexibel bin ich durch die Wahl des Anknüpfpunktes an der Brücke.
- Am Seil klinke ich einen Metallring ein, auf den alle drei Seile der Kitebar laufen.
- Das mittlere Seil mit dem “chicken loop ” ist ebenfalls verstellbar mit dem ehemaligen Depowertampen, um die letzten Zentimeter rauszukitzeln und die Distanz zur Bar verändern zu können. Mit diesem Setup sind unterschiedliche Armlängen und Vorlieben für gewisse Tricks direkt am Depowertampen einstellbar.
- Kitetrapez oder Harness im Idealfalle mit Sliderhook – das erweitert die Bewegungsfreiheit ganz enorm. Toeside fahren ist so ohne großes Trapezgerutsche möglich.
Wem die Anregungen nicht reichen, oder wer Tipps braucht kann mich gerne anschreiben. Wer sich da gar nicht ran traut aber einen vielversprechenden Spot vor der Haustür hat – nach etwas Austausch könnte es gut passieren, dass ich Expertise gegen Parkplatz und Toilettenzugang tausche. Spoterschließung ist Ehrensache!
Photo: Matthias Steinecke @stonefishpictures
Was konntest du durchs Seilsurfen fürs Riversurfen lernen?
Insbesondere die Präzision in meinen Füßen ist unglaublich gesteigert worden. Da man einen Trick, der misslungen ist, 30 Sekunden später an der selben Stelle wieder und wieder versuchen kann, hat man im Ropesurfen einfach die besten Lernvoraussetzungen. Elf Shove-its back to back (jeder zweite logischerweise switch) in einem Run sagen alles. Würde ich ein schmerz– und sorgenfreies Surflernzentrum bauen, sähe es aus wie meine Welle. Die bisher schlimmste Verletzung war ein offener Finger von einem gesnappten Karabiner.
Warum surfst du mit Fussschlaufen?
Fußschlaufen fahre ich erst seit diesem Winter. Frühere Versuche mit Kiteboards waren nicht so erfolgreich – der Materialschaden stand in keinem Verhältnis. Strapless kann ich wegen der geringen Fließgeschwindigkeit nur gerade so das Brett aus dem Wasser lösen bei Airs und ich wollte mal ein wenig höher fliegen. Da hab ich mein Skimboard aus dem Keller mit ein paar Windsurfstraps versehen und siehe da, die Kombination ist der Hammer! Grabs und Backrolls, das Potential wird gerade erst erarbeitet. Ich habe eigentlich schon jedes denkbare Brett auf der Welle ausprobiert: Hardboards, Softboards, Longboards, SUPs, Kiteboards, Wakeboards, Boogieboards, Wakeskateboards, Skimboards in allen erdenklichen Brettvarianten und Finnen-Varianten. Ich habe auch gerne Finnen auf Bretter gebaut an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben: Riversurffinns, Softfinns, Fiberglassfinns, 3D-geprintete Finns, Wakeboardfins, Kiteboardfins und selbstgeshapte Holzfinns. 95% der Zeit fahre ich eh ohne Finnen – das Finnenmonster in der Walze hat ausreichend Opfergaben erhalten. Nur das Holz für ein Alaia liegt noch unbearbeitet im Keller. Wer einen Spielplatz hat, sollte auch spielen.
Ich habe eigentlich schon jedes denkbare Brett auf der Welle ausprobiert.
Ich surfe bei jeder Session strapless und mit Straps. Ich finde strapless einfach puristischer und es erfordert viel mehr Genauigkeit und ich habe die Bewegungsfreiheit im vorderen Fuß. Die Bretter, die für mich am besten funktionieren, sind das 4.8er Rocketfish von Softec und das modifizierte Skimboard mit Fußschlaufen. Das Wakeskatebrett hat Potential und bekommt vermutlich demnächst mittige Sliderfinns und Schlaufen. Viel Rocker ist schon auch geil für einige Sachen. Softskimboards sind auch sehr spannend, Klaas fährt eigentlich nur solche Boards. Alles was kein Softboard oder Holzboard ist, macht leider keinen Sinn – irgendwann bestand die hintere Hälfte meiner Hardboards nur noch aus Epoxy – Beton ist einfach gnadenlos!
Was ist der State of Art beim Seilsurfen? Was sind die krassesten Tricks und wer sind die besten Surfer in dieser Sportart?
Die Surfer in dieser Sportart sind defakto zwei: Klaas und ich – lol! Ich schleppe immer wieder mal Leute von Bremen auf die Welle. Bisher hat es erst einige für ne gewisse Weile gehookt – nur Klaas und ich ballern konstant ab den magischen Dreimetersiebenundzwanzig. Alles außer dem Wasserstand ist egal! Klaas (@bingobaer) , der als erstes einen unhooked 360 gefahren hat, wohnt nahe der Welle und geht bei kritischen Wasserständen auch mal scouten – Ich fahre bei jeder Anfahrt über 50km und bin erst zwei mal nicht ins Wasser gegangen. Spaß hat man irgendwie dann doch immer!
Kiteboarder springen eigentlich instant ne Backroll, das haben bisher vier Leute geschafft. Fakiebackroll und Switchbackroll kann bisher nur ich, sollte von jedem einigermaßen ambitionierten Kiter oder Wakeboarder aber so wegzuziehen sein. Shove-its, Pop-shove-its sind komplizierter, da muss insbesondere die Landung passen. Alle möglichen und unmöglichen Varianten an Wenden und Fahrweisen sind denkbar: Leanbacks, Bombdrops, Boardslides, Lipslides, Manuals, Onefoots und Onefootturns – Gou lässt grüßen. Seit wir angefangen haben Betonobstacles vor und in die Welle zu setzen gehen schon wieder ganz neue Türen auf: Echte Slides, Boneless und sämtliche Liptricks wurden schon gemacht oder sind zumindest vorstellbar.
Alle möglichen und unmöglichen Varianten an Wenden und Fahrweisen sind denkbar.
It blows your mind daily! Für den meisten Kram muss man erstmal Namen erfinden, weil das nur annähernd ähnlich aussieht wie in verwandten Sportarten. Ich mache zum Beispiel einen Turn bei dem ich toeside vorwärts in die Welle fahre, diese dann wie nach einem Rock´n´roll fakie zurückfahre (stranges Gefühl) und in der Rückwärtsfahrt ne brutale Wende im Flat durchziehe – weil dabei die Nose 180Grad rotiert und fast senkrecht aus dem Wasser ragt und das Tail meist im Beton einschlägt würde ich das Ding “Wiper” taufen. Ansonsten haben wir natürlich das klassische Surfrepertoire: Turns, Superlow Cutbacks, Miniairs, 180s und Grabs. Mit den Straps sind jetzt viel krassere Sachen möglich. Der gesamte Bereich unhooked Spinns, Handlepasses und Kombinationen in Sprüngen ist fast noch komplett unbearbeitet. Wenn man es drauf anlegt geht man täglich mit ein, zwei neuen Tricks nach Hause.
Wo sind in Europa die größten und aktivsten Szenen im Seilsurfen?
Ich würde mich mal aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass es massig Spots gibt mit Potential für Ropesufing. Ropesurfing müsste auf jedem einigermaßen ebenen Gefälle in einem Flusslauf möglich sein– gleiten in selbst leichter Strömung an einem Seil haben sicherlich schon tausende Menschen versucht. Von meinem Spot weiß ich, dass sich jetzige Senioren in den Nachkriegsjahren mit Teilen von alten Türen und einem Seil an der Stelle festgemacht haben.
Ein ebenes Flussbett, welches abschüssig eine Strömung erzeugt, mehr braucht es eigentlich nicht. Mehr geht natürlich immer: Ein Trichtereffekt am Eingang, stehendes Gewässer am Ende, ordentlich Wasserdurchsatz, Objekte zur Hydrodynamikoptimierung. Ich denke, jeder Eisbachsurfer hat gewisse Vorstellungen was ich meine. Ich würde mich freuen, wenn ein erfahrener Hydrodynamiker mal einen Blick auf meinen Rohdiamanten werfen würde. Momentan bleibt das Seil und Harness unverzichtbar, was in meinem Falle auch ganz gut ist. Ich lote halt konsequent die Vorteile des Setups aus. Ein reines Gleiten auf Wasser ist schon echt einfach zu realisieren – und nichts anderes ist Surfen.
Einfach eine Kitebar und Harness hinzufügen und es kommt ein unfassbarer Spaß dabei raus.
Natürlich haben wir hier einfach nur megamäßig Glück, aber die ein oder andere Stelle sollte es geben an der es mit wenig Aufwand ähnlich aussieht. Zur Szene kann ich nur sagen, dass es keine gibt. Sich an ein Seil in ne Stromschnelle zu hängen liegt ja irgendwie nahe. Warum Phillipp der Erste sein musste um die Harness mit ins Spiel zu bringen, ist mir ein Rätsel. Wer einmal seine Oberarme nach einer kurzen Session am Seil gespürt hat, weiß warum all diese Stellen noch unbespielt sind. Man füge die Ingredienzien: “Kitebar und Harness” dazu und zumindest für einige Leute kommt ein unfassbarer Spaß dabei raus. Ich denke, einige der Videos und Tricks die ich mache, zeigen die Freude und die Skills, die sich langsam entwickeln. Für wind– und ansonsten wellenfreie Tage ist es definitiv eine Alternative. Ich bin je nach Wasserstand ca. 3 mal die Woche da, mittlerweile auch ganzjährig.
Gibt es Contests in Europa beim Seilsurfen?
Definitiv nicht, es macht halt noch keiner.
Wenn ich mit Seilsurfen anfangen möchte, was brauche ich alles dafür? Taugt ein normales Riversurfboard, Kiteboard dafür? Welche Seil-Halterungen kannst du empfehlen? Was muss man für ein gutes Seil und Halterung ausgeben?
Je nach Location und Montagemöglichkeit. Ich hab die Lastenbänder von Tobi geschenkt bekommen – auf jeder Baustelle werden die irgendwann ausgesondert. Eine schrottige Kitebar hat jeder hier im Norden im Keller liegen, sonst mal bei Kleinanzeigen gucken und nicht mehr als 30 € für ein gebrauchtes Modell ausgeben. Beim Umbau möglichst kreativ die Kiteschnüre und Power-Depowertampen nutzen um größtmögliche Verstellmöglichkeiten rauszuholen. Unbedingt den Safetyrelease gangbar halten! Ein altes Sicherungs- oder Kletterseil misshandeln und fertig. Danach kannst du je nach Spot die alten Bretter verheizen oder choppen und einfach ausprobieren. An vielen Spots muss man noch in Ermangelung einer Brücke ein Seil oder Spannbänder querspannen, man muss es halt schon wollen.
Was muss ich als Anfänger in Sachen Safety beachten?
Mein Spot bildet im Winter eine vermutlich tödliche Walze aus. Das Brett kriege ich eigenhändig fast nicht an der Leash zurückgezogen. Ich möchte in manchen Wasserständen lieber nicht da rein geraten, da bin ich froh wenn ich am Seil hänge vor der Walze. Bist du an einem Spot mit Steinen, dann fahre lieber ohne Leash um nicht heruntergezogen zu werden. An Spots mit Beton immer mit ausgestrecktem Ellenbogen und Knien fallen. Flips erstmal nur mit Helm! Never surf solo!
Photo: Matthias Steinecke @stonefishpictures
Darf ich in Deutschland an jeder Brücke ein Seil anbringen? Erlaubt es die Polizei?
Polizei war schon da, die haben nichts gesagt. Wir haben ausnahmslos positive Rückmeldungen von allen Passanten auf dem Land, was ich sehr erstaunlich finde! Nach vier Jahren und einigen hundert Stunden surfen sieht man gewisse Spuren an den Hauptanknüpfpunkten und das Geländer hat sicherlich immer schon so viel Spiel gehabt. Zur rechtlichen Lage hab ich keine Ahnung, ein Interview mit der Lokalpresse habe ich nach Abwägung auch deswegen abgesagt. Außerdem habe ich Sorge, dass da bald eine Surfschule eröffnet und ich wie die meisten von euch auch in einer Warteschlange stehen muss.
Wohin wird sich Seilsurfen in den nächsten 10 Jahre in Europa entwickeln? Tricks, Events, Industrie?
Es bleibt eine Nischenspielart der Nischensportart Riversurfen. Ich hoffe wirklich, dass einige Leute mit dem beschriebenen Setup für kleines Geld die ein oder andere Stromschnelle, das alte Wehr oder die Miniwelle in ihrer Nähe erschließen können. Ich hoffe, dass ihr eine ebenso unfassbar gute Zeit, Zufriedenheit und Skills abgreifen könnt. Falls nicht, habt ihr zu gewissen Wasserständen oder an gewissen Tagen gemeinsam Freude mit euren Buddies einen persönlichen kleinen Wasserspielplatz um zu basteln und der kindlichen Kreativität freien Lauf zu lassen. Nur das reicht eigentlich schon!
Falls jemand mit finanziellen Ressourcen mitliest – ich hab da so einige Ideen!
Auf professioneller Basis wundert mich, dass die Bungeesurfer keine Harness nutzen. Habe es aber selbst noch nicht probiert, vielleicht fehlen mir da die Einblicke. Endstand wäre, an den Stellen wo keine richtigen Wellen gebaut werden können, weil es an Wasser mangelt, günstige Lösungen zu finden, um Menschen mit Seil und Harness und einer planen Trainingsfläche vielleicht doch zum Gleiten auf Wasser bewegen zu können, ohne dabei Ressourcen verschwenden zu müssen. Eigentlich braucht es dazu nur ein minimales Gefälle und geringfügige Baumaßnahmen und etwas Ideenreichtum. Falls jemand mit finanziellen Ressourcen mitliest – ich hab da so einige Ideen!
Was möchtest du persönlich noch beim Seilsurfen dazulernen?
Es gibt immer noch den etwas schöneren, etwas tieferen Cutback der sich noch besser anfühlt. Der Rest ist unfassbar befriedigende Spielerei, bei der ich hoffentlich noch Tonnen neuer Tricks abgreifen darf.